2. September 2024
Bildung | Deutschland | Gesundheit | Soziales
Jana Kadatz über Kinderarmut in Dortmund – Perspektiven für die Dortmunder Nordstadt
Kinderarmut ist in der Dortmunder Nordstadt an vielen Ecken zu sehen. Der Stern im Norden unterstützt dort Kinder und Familien des Stadtteils. Er bietet einen sicheren Raum zum Spielen, Lernen und Entwickeln. Viele Familien leben dort von Transferleistungen. Kinder wachsen in beengten Wohnverhältnissen auf. Sie haben zuhause wenig Platz zum Spielen und Lernen. Draußen gibt es kaum Grünflächen und viel Verkehr.
Kindermut kommt selten allein – oft ist auch das Umfeld arm
Kinder in Stadtteilen wie der Dortmunder Nordstadt mit einer hohen Armutsgefährdungsquote (s. Kasten) erleben oft Isolation und Stigmatisierung. Sie wachsen in Gegenden mit hoher Kriminalität, Arbeitslosigkeit und Drogenmissbrauch auf. Ihnen fehlen gute Vorbilder. Hoffnungslosigkeit macht sich breit. Die Schulen sind schlecht ausgestattet, die Klassen überfüllt und es herrscht Lehrermangel. Das verringert die Bildungschancen der meisten Kinder. Kaum eines bekommt eine Gymnasialempfehlung.
Auch der Zugang zu Gesundheitsversorgung ist in armen Stadtteilen begrenzt. Viele Kinder kommen krank zur Schule. Hohe Kriminalitätsraten setzen Kinder häufiger Gewalt aus und schränken ihre Bewegungsfreiheit ein. Das Leben in Armut verursacht chronischen Stress und familiäre Spannungen. Das alles beeinträchtigt die psychische und emotionale Entwicklung der Kinder.
Der Stern im Norden arbeitet präventiv und bietet eine sichere Umgebung für die persönliche Entfaltung der Kinder. wortundtat unterstützt diese wertvolle Arbeit. Jana Kadatz, seit 2024 pädagogische Leiterin des Projekts, betont, dass Kinderarmut weit über finanzielle Not hinausgeht. Viele Kinder erfahren emotionale Vernachlässigung und nehmen kaum am Leben ihrer Altersgenossen teil. Hier greift das Angebot des „Stern im Norden“. Es bietet Kindern individuelle Förderung. Durch enge Zusammenarbeit mit den Eltern verbessert der Stern durch sein Angebot nachhaltig die Lebensbedingungen zahlreicher Familien.
Armutsgefährdungsquote
Die „Armutsgefährdungsquote“ bezeichnet die Höhe des Anteils armutsgefährdeter Personen an der Gesamtbevölkerung. Dortmund lag nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2022 im Ranking der 15 größten deutschen Städte bei der Armutsgefährdungsquote mit 23.8 Prozent auf Platz 3 hinter Duisburg (30,3%) und Bremen (27,6 %).
Nordrhein-Westfalen lag im Ländervergleich auf Platz 2 hinter dem Stadtstaat Bremen. Die anderen NRW-Großstädte liegen oberhalb des NRW-Werts: Essen22,4 % (Ranking Platz 4), Düsseldorf 20,8 % (Platz 7) und Köln 20,4 % (Platz 10).

Frau Kadatz, welche Kinder kommen zu Ihnen in den Stern im Norden?
Kinder aus Familien, die von Langzeitarbeitslosigkeit und sozialer Benachteiligung betroffen sind.
Oft fehlt es diesen Familien an Perspektiven und Förderung für die Kinder.

Wie hilft der Stern im Norden diesen Kindern?
Wir bieten einen geschützten Raum zum Spielen und fördern die Talente der Kinder durch kreative und sportliche Angebote. Wir bieten auch Vorbilder, die ihnen ihre Familie und ihr soziales Umfeld nicht bietet. Wir sind freundlich und hilfsbereit zueinander und natürlich auch zu den Kindern. Wir stehen für Nächstenliebe und leben sie auch. Männliche und weibliche Kollegen sind gleichberechtigt. Das alles ist für die Kinder, die täglich zu uns kommen, keine Selbstverständlichkeit.
Sozialpädagogische Leitung
des Stern im Norden Dortmund

Wie bauen Sie Vertrauensverhältnisse auf?
Wir nehmen uns Zeit für die Kinder, hören ihnen zu und nehmen ihre Probleme ernst.
So entstehen vertrauensvolle Beziehungen.

Wie helfen Angebote wie die des Stern im Norden Kindern aus der Armutsspirale?
Angebote wie das des Stern im Norden helfen Kindern auf vielfältige Weise, aus der Armutsspirale auszubrechen. Wir bieten schöne und sichere Räume, die Kindern aus engen und oft heruntergekommenen Wohnverhältnissen fehlen. Diese Räume bieten Platz zum Spielen und Toben. In der Dortmunder Nordstadt gibt es nur wenige Spielflächen. Auf unserem großen, geschütztenHof und in den Innenräumen finden die Kinder im Sommer und im Winter einen sicheren Ort zum Spielen. Es gibt sogar drin genug Platz zum Kicken und Toben.Die Bewegung, die die Kinder dort bekommen, trägt dazu bei, dass sie gesünder aufwachsen.

Wie unterstützt der Stern im Norden die Kinder bei ihrer Entwicklung?
Wir schauen, wo die Fähigkeiten und Talente der Kinder liegen. Gerade Kinder, die keinen hohen Selbstwert haben, wissen nicht, wozu sie fähig sind. Aus diesem Grund veranstalten wir jeden Dienstagnachmittag die Supertalentshow. Wir motivieren die Kinder, sich auszuprobieren und anschließend ihre Talente aufzuführen. Als wir die Show das erste Mal veranstaltet haben, war es erschreckend, dass keines der Kinder wusste, was es kann. Heute kommen diese Shows super bei den Kindern an. Und: Die Kinder bekommen bei uns jeden Tag ein warmes Essen mit Gemüse oder Salat.

Warum brauchen wir Angebote wie den Stern im Norden?
Obwohl unser Sozialsystem die grundlegenden Bedürfnisse der Menschen decken soll, gibt es viele Lücken. Grundbedürfnisse wie Kleidung, Schulmaterial, Nahrung und Wohnraum werden abgedeckt. Es bietet aber keine pädagogische oder emotionale Unterstützung und auch keine Perspektiven für Kinder. Hier setzt der Stern im Norden an. Unsere Programme bieten Kindern einen sicheren Ort zum Spielen und Lernen. Kinder haben eine gute Zeit mit ihren Freunden. So sammeln sie positive Erfahrungen. Solche Initiativen bieten eine ganzheitliche Unterstützung, die über finanzielle Absicherung hinausgeht und den Kindern hilft, sich emotional und sozial zu entwickeln.
Wie Langzeitarbeitslosigkeit der Eltern sich auf die soziale Teilhabe bei den Kindern auswirkt:
- Eingeschränkter Zugang zu Freizeitaktivitäten: Kinder können oft nicht an kostenpflichtigen Freizeitaktivitäten wie Sportvereinen, Musikunterricht oder Ausflügen teilnehmen, da die finanziellen Mittel fehlen.
- Isolation und Stigmatisierung: Kinder aus arbeitslosen Familien werden möglicherweise von Gleichaltrigen gemieden oder stigmatisiert, z.B. aufgrund von einfacher, unvollständiger Kleidung oder Schulausstattung. Dies kann zu sozialer Isolation und einem geringeren Selbstwertgefühl führen.
- Fehlende soziale Fähigkeiten: Da Kinder weniger Chancen haben, an sozialen Aktivitäten teilzunehmen, entwickeln sie möglicherweise nicht die gleichen sozialen Fähigkeiten wie ihre Altersgenossen. Dies kann ihre Fähigkeit beeinträchtigen, Freundschaften zu schließen und in Gruppen zu interagieren.
- Diskriminierung und Vorurteile: Kinder aus arbeitslosen Familien können Vorurteilen und Diskriminierung ausgesetzt sein, was ihr soziales Leben negativ beeinflusst. Sie könnten sich schämen und versuchen, ihre familiäre Situation zu verbergen, was zusätzliche emotionale Belastungen auslöst.

